Fitte 1 Minuten Story

Sie sprach ganz selbstverständlich französisch, als wären wir im 19. Arrondissement in Paris. Wir waren aber in Wien 9. Sie trug ein farbiges Kopftuch, sagte, dass sie aus Tunesien sei, und gerne Aerobic machen würde. «Mais seulment avec des femmes. Pas des Hommes.» Gut, sagte ich, kein Problem, in unserem kleinen, familiären Fitnessclub gibt es nur weibliche Aerobicmitglieder. «Pas des hommes?» Nie welche gesehen. Ob es denn Männern erlaubt sei, mitzumachen? Grundsätzlich ja, sagte ich. Das sei schlecht, sagte sie, ganz schlecht. Dann wollte sie den Raum doch noch sehen. Wir gingen durch die Garderoben. Sie bemerkte, dass die Frauengarderobe keine Tür hatte, nur einen Sichtschutz. Da muss ein Vorhang hin, sagte sie.

Im Aerobicraum gab es eine Tür. Sie führte in die Kraftkammer. Es gab auch ein fahrradsattelgroßes Fenster. «Dieses Fenster», sagte sie, «müssen wir zuhängen.»

Ich blickte mich um, suchte nach der versteckten Kamera. Aber wir waren allein. Bestimmt ein Test, dachte ich. Dann gingen wir zurück in die Lobby. Dann mir fiel ein, dass ich von einem Fittnessladen mit reinem Frauenaerobic gehört hatte. Nach drei Anrufen hatte ich die Adresse und gab sie ihr.

Eigentlich würde ich gerne wissen, wie ich bei dem Test abgeschnitten habe…

Der Mampfer

Als ich vom Geisteszentrum nach Hause gehe, kommt mit ein Mampfer entgegen. Ihr kennt sie. Stumpfer Blick, einem verdauenden Wiederkäuer nicht unähnlich, mampf, mampf,mampf. Dann kreuzen wir. Der Geruch seiner Leberkäsesemmel trifft mich wie eine flatternde Lastwagenplane. Mein Kopf wird zur Seite gerissen, und noch mehrere Sekunden später, erwischt mich ein Schwall.

Letztens habe ich mich gefragt, warum nicht mehr so viel Hundescheiße auf den Gehsteigen liegt. Jetzt weiß ich es.

1. Schultag

Heute ist Schulanfang. Meine kleine Tochter ist dran. Ich weiß von meiner älteren Tochter, dass nun 4 tolle Jahre vor ihr liegen. Sie wird gerne hingehen. Sie wird die Lehrerinnen duzen. Sie werden -vernetzt- lernen, in Gruppen arbeiten. Niemand wird sie anbrüllen. Sie wird gelobt werden, wenn sie was gut hingekriegt hat, und sanft darauf aufmerksam gemacht, wenn was nicht so gut lief.

Ich hatte auch einmal einen 1. Schultag. Es ist lange her. Wir saßen in schmucklosen, bleichen Schulzimmern auf harten Holzbänken und kratzten mit Griffeln das Alphabet in Schiefertafeln. Es war verboten zu reden. Die Lehrerin war eine Autoritätsperson. Sie trug einen Dutt, saß vorne am großen Pult und rief alle 5 Minuten: «Köpfe auf!» in das Gekratze hinein. So ging das. Jeden Tag. Woche um Woche. Monat um Monat.

Ich fand’s ziemlich beschissen. Tag für Tag. Woche für Woche. Jahr für Jahr.

Manchmal gibt’s auch die Dinge, die einfach besser werden…

Gut und besser

Zuerst die gute Nachricht: Es ist erhebend an einem Sonntagmorgen in Wien unterwegs zu sein. Noch vor den Kronenzeitungsdieben. Und den Defäkierern. Scheint aber abzunehmen, die Hunderei. Vielleicht die Krise? Oder wächst da eine neue Generation heran, das Wissen, dass die Viecher einen höheren CO2-Faktor haben, als ein Kleinwagen? Jedenfalls, die Welt ist noch gut und schön.

Nun zu der noch besseren Nachricht: Wohl denen, die in einem Land leben, deren Regierungsspitze nicht nur eine großartige Literaturkritikerin ist, sondern die auch einen Anflug von Genie an den Tag legt. So kam die Frau Merkel auf die Idee, dass man Hartz IV-Empfänger in Pflegedienste verpflichten könnte, anstatt Personal aus dem Osten zu rekrutieren. Sapperlot aber auch, sagt unsereins voller Neid, da kann nur ein Genie drauf kommen. Und so bald! Was für eine Idee! Pflegebedürftige, mitunter hilflose Menschen, anderen Menschen auszuliefern, die nichts lieber tun, als ihresgleichen beim Fetzen im TV zu bewundern? Unvergessen jener deutsche Spargelfarmer, der flehentlich darum bat, man möge ihm die Kosten für die 10%-Quote einheimischer Hartz lV-Empfänger auferlegen, aber nur, wenn die seinem Acker fernbleiben und die Arbeit von «seinen» Polen gemacht würde.

Aber es könnte durchaus sein, dass dem einen oder anderen Politiker schwant, dass die Internet-Generation nicht wirklich Bock auf eine Hardware-Hacken, hart am Mann/der Frau, hat. (Ich übrigens auch nicht. Aber ich verfüge über einen Attest, der mich als 5/7 Misanthrop ausweist!)?

Die 68-er gehen auch schon in Rente. Und vielleicht werden die Menschen im Osten, die hierher kommen um mich bald zu pflegen, irgendwann das gefühlte Durchschnittsalter von 52 überschreiten, und ihre eigenen Eltern betreuen müssen. Verteilen wir dann Zyankali-Kapseln? «Exit» auf jeder Geburtstagsparty ab 65?

Aber ich sags doch schon so lange: Jedem hackenstaden FPÖ-Wähler ein Pflegejob! Von wegen, die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg.

Dialog

Eine Begegnung im Treppenhaus.

Er: Guten Morgen. Wie geht es Ihnen?

Sie: Wieder ganz gut.

Er: Was macht das kaputte Bein?

Sie: Geht so. Meine Augen sind entzündet.

Er: Ach?!

Sie: Mein Bruder ist gestorben. Er war 55. Leberzirrhose. Dabei hat er nichts getrunken. Und bei der Beerdigung hab ich im Auto das Gebläse angestellt, und da hat’s mir die Augen entzündet…

Er: Das tut mir leid.

Sie: Und Sie? Sie gehen immer fleißig zum Fitness?

Er: Ich treff da Ihren Mann…

Sie: Man muss was tun. Die Konkurrenz schläft nicht. Grüßen Sie mir ihre Frau…

Er: Schönen Tag noch.

Das Ende einer Fata Morgana

Mein Leben ist langweilig. Ich verlegere so herum, tagsüber, schiebe auf meiner weißen Apfel-Kachel Pics, Textkästchen und Farbflächen herum. Stunde um Stunde, und vermutlich noch lange. Am Abend sehe ich mir die mediale Fata Morgana um Sarrazin an. Sie ist nun vorbei. Hat sich ausgespiegelt. Alles wieder in Ordnung. Die Kanzlerin, ihres Zeichens 1. Liteaturkritikerin Deutschlands, stellt sich schützend vor die Türken in ihrem Land. Everthing is allright. Die Bundesbank entsorgt den Burschen, von dem nun keiner mehr wissen will, wer ihn eigentlich in diese Position gehievt hat. Die SPD? Same game, other room. Wir atmen auf. Einige fragen sich, wie sie nur auf diesen Wirbel hereinfallen konnten, wo doch eh alles okay ist? Eine Fata Morgana eben.

Dann sah ich noch den Schweizer Krimiautoren Hansjörg Schneider im Interview. Ob er noch ein Linker sei, wurde er gefragt. Na klar, sagte er, er habe noch immer Umgang mit den einfachen Leuten. Dann schimpfte er ein bisschen auf Max Frisch, den er für keinen Linken hielt, weil der keinen Umgang mit dem «kleinen Mann» hatte. Na gut, sagte ich zu mir, Schneider ist Schriftsteller, da kann man nicht alle Welt erwarten. Und wie wir wissen, haben unsere Rechten und Rechtsextremen keinen Umgang mit den einfachen Leuten, bewegen sich zu unserem Glück nur im dünkelhaften Zirkel der Elite. Da ham wer aber Schwein ghabt.

Ich habe auch keinen Umgang mit dem einfachen Volk. Ich bin arm, und muss mit ihm leben. Und sie mit mir. Aber ich gebe nichts auf die Meinung eines Taxifahrers. Ich gebe auch nichts auf die Ansichten von Herrn Strache. Ich finde, das Volk stinkt öfters aus dem Maul als alle denken. Ich habe in fast 50 Jobs gearbeitet. Überall. Mit dem einfachen Volk. Wir kamen miteinander aus. So la la. Aber ich fühlte mich in seiner Gegenwart meist wie eine Parallelgesellschaft.

Gestern war ich mit meiner Tochter in einem asiatischen Laden. Winzig, winzig. Beste Sushi Bento in town. Vegetarische Menüs. Ein Familienbetrieb. Vater, Schwiegervater, Tochter. Freundliche, arbeitsame Migranten. Unternehmer, im eigentlichen Sinn des Wortes. Sie winken einem zu, wenn man ihr Lokal verlässt. Alle. Ich winke zurück.

Das sind meine Leute.

Kritikerpass

Gestern sagte Thilo Sarrazin Michel Friedmann ziemlich unverblümt, dass dieser dumm sei. Das hat Herr Friedmann wohl noch nie vernommen. Seine Replik war unterdotiert und schal. Überhaupt seltsam, dieser Michel Friedmann: Er scheint all seine Power eingebüßt zu haben, sie ist gleichsam auf der Strecke geblieben, auf dem langen Weg zwischen dem Ankauf von Zwangsprostituierten und dem etwas verkrampften Comeback. Sein moralischer Furor zündet nicht mehr. Wir mögen ihm nicht mehr recht glauben. Er bramarbasiert. Sei’s drum.

Noch was: Manchmal sage ich: Die Muslime. Dann werde ich belehrt. «DIe Muslime» gibt es nicht. Man gibt mir zu bedenken, dass ein Unterton mitschwinge. Ich weiß, was meine Belehrer meinen. Aber gestern, in der Runde von Frank Plassberg sagte die Muslima, Journalistin und Tv-Moderatorin Asli Sevindim: «Die Muslime sind froh um die Kritik.»

Ja, was nun? Darf man oder darf man nicht? Oder darf nur Frau Sevindim und ich nicht? Ist ihre Aussage nicht genauso gleichmacherisch und indifferent, wie jemand der hinausproletet: «Alle Muslime sind faule Transferleistungsbezieher.»

Darf nur noch die ÖVP die ÖVP kritiseren? Nur noch der Papst die Kirche? Nur noch Israelis Israel?

Ich möchte nur noch von agnostischen, männlichen Autoren um die 50 kritisiert werden, die auf der Chestbench mindestens 120 kg schaffen.

Tschick und Gschroppen

Gestern kommt mir ein junger, asiatischer Kerl entgegen. Nicht auffälliges, der übliche Kleiderkram den wir alle tragen, aber er hatte auch etwas an sich, das mich irgendwie irritierte. Und dass es mich irritierte, irritiert mich immer noch. Er hatte nämlich eine Zigarette in der Hand und rauchte, während er seiner Wege ging. So what?

Genau das Gleiche tat ich noch vor 10 Jahren auch. Manchmal ging ich Zigarettenrauchend dahin, mit meiner damals zweijährigen Tochter an der Hand. Hin und wieder sieht man das noch. Rauchende Erwachsene mit Kindern. Würde ich mir heute selber begegnen, so mit Tschick und Gschroppen, wäre ich sehr unangenehm berührt. Mehr noch, ich empfände es als einen Anschlag auf mein Wohlbefinden. Wie ein losballernder Presslufthammer. Und ich muss gestehen, dass ich keine Ahnung habe, was diese Veränderung auslöste. Bin ich, von steter Antiraucherpropaganda, hirngewaschen worden? Was geschah mit Baby Jane? Was mit mir? Die Vernunft? Die Verantwortung? Weiche Birne? In geriatrischer Aufwallung zerstiebende Toleranz?

Als meine Mutter jung war, rauchten nur die Huren auf der Straße.