Wiener Zeitungsdiebe

Am Sonntag morgen, wenn alle anderen Haushaltsmitglieder noch schlafen, zieht’s mich raus. Erst die Viktorgasse hinab, nach links in die Carolinengasse, rechts und kurz in die Favoritenschlucht, und dann beinhart in die Rainergasse eingeschwenkt. Diese hinan bis zur Blechturmgasse, rechts runter, die Wiedner Hauptstrasse gequert und in die Hartmanngasse, und dann einfach rein ins Geisteszentrum, wo ich die sonntäglichen Gewichte stemme. Zur geistigen Erbauung und zum Behufe der körperlichen Gelassenheit.

Wenn ich dann den Weg zurückgehe, geläutert, schwitzend, müde und trotzdem sehr erfrischt, begegne ich ihnen, den «Kronedreckszeitungsklauern».

Ich war selber mal genötigt als Dieb zu arbeiten, und es liegt mir daher fern, einen anderen Dieb zu verurteilen (moralisch), aber die «Kronendreckszeitungsklauer», die sind schon was ganz besonderes. Meist ganz ungeniert zupfen sie sich das Papier aus der Plastiktasche und ignorieren mit der ihnen angeborenen Würde das geschlitzte Döschen für den Obulus. Nun ja. Als Süchtige brauchen auch sie ihre tägliche Dosis Niedertracht, ihren Schuss Ausländerhetze, ihr Näschen Anti-EU-Campaining, und die von der Redaktion hergestellten Leserbriefe, die unter dem Namen «Volkes Stimme» firmieren.

Es gibt kaum ein schöneres Bild der Verlogenheit, als wenn der Wiener sich die Kronendreckszeitung klaut, und sich später, nach der Lektüre, über ausländische Diebe, ereifert.

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