Übers Schreiben

Ich schreibe zur Zeit an einem Theaterstück. Einem Western. Das ist verrückt, ich weiß. Es ist nicht generell verrückt, aber in Wien schon. Wenn hier das Genre in Theater, Film, Literatur, Kabarett benutzt wird, müssen die «Wuchteln» als Trommelfeuer kommen. Wir aber nehmen den Western ernst. So ernst, wie jedes andere Drama auch. Es geht um Sehnsucht, Gewalt, Einsamkeit, Liebe, Tod und das übliche Unvermögen der Menschen, irgendwie miteinander klar zu kommen. Ich sage: Wir. Weil ich das Stück nicht alleine schreibe, sondern mit zwei befreundeten Kollegen zusammen. Einem Drehbuchautor und Regisseur, und einem Schauspieler.

Es ist schön so zu schreiben. Die Struktur zu entwickeln. Rumzuspinnen, zu verwerfen, den Faden wieder aufnehmen, rum zu albern, Scheiße zu labern, Quatsch zu machen und trotzdem immer hart am Ball zu bleiben. Das ist mitunter riesig.

Jetzt schreibt jeder für sich zu Hause an Szenen. Danach treffen wir uns, und lesen uns die Schreibe vor. Da geht’s zur Sache. Hart und schonungslos, die Kritik. Aber natürlich nur in der Arbeit. Da ist nichts persönliches dabei. Noch nicht. Jeder muss sich anhören, wie seine Schreibe dem anderen einfährt. Muss sein Zeug auseinander nehmen und neu zusammensetzen lassen. Manchmal. Manchmal ist etwas auch einfach nur gut. Oder Spitze. Es geht darum, ob es «funktioniert» oder nicht.

Zwei von uns kennen das Prozedere. Wir sind es gewohnt. Als ich es vor mehr als 10 Jahren zum ersten Mal erfuhr, hatte ich so meine Schwierigkeiten mit Kritik. Sie war schmerzlich. Sie brannte regelrecht. Scham. Man setzte sich aus. War schutzlos. Jemand sagte z.B.: «Das ist langweilig.» Es gab Autoren, die gegen die Langeweile ihrer Szenen Argumente ins Feld führten. Fand ich sinnlos. Wie will man gegen Langeweile argumentieren? Sie sagten z. B. : «Das hab ich anders gemeint.» Aber, muss sich der Ehrliche eingestehen, es kam offensichtlich nicht so rüber, oder?

Es gibt einen Spruch. Er kommt, wie das meiste über das szenische Schreiben, aus den USA: Writing is Rewriting. Oder ein anderer: Kill your Darlings. Oder mein Liebling: Action is character.

Das ist, genau besehen und angewandt, richtig harter Stoff. Schreiben bedeutet Umschreiben. Kein genialer Wurf, sondern Knochenarbeit. Bring deine Lieblinge um!, meint, dass wir in jenen Szenen, die uns am Herzen liegen, meist am schwächsten sind. Wer es überprüft wird schmerzlich feststellen müssen, dass es wahr ist. Action ist character, ist noch das harmloseste dieser Gesetze. Es besagt lediglich, dass das was jemand tut, seinen Charakter zeigt und nicht das, was er labert. Oder biblisch ausgedrückt: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen!

Das ist szenisches Schreiben. Wenn man sich daran gewöhnt hat, kein Genie zu sein (und das ist zugegebnermaßen nicht ganz leicht), aber dass sich die Dinge immer verbessern lassen, und derjenige den Willen hat, gute Arbeit zu liefern, zudem seine Kritiker kompetent und an der Sache interessiert sind, der wird in dieser Arbeit eine manchmal fast glücklichmachende Anstrengung finden.

Und das Bier schmeckt danach genau so gut, wie nach vielen Stunden Gerüstbau.

Glaubt mir. Ich weiß, von was ich rede. Wenigstens in dieser Sache.

Eine Antwort auf „Übers Schreiben“

  1. Die Darlings rauszufinden ist nicht immer einfach, vor allem, wenn man alles nur mehr schlecht findet. Ich stell mir dann vor, was würde Helge Schneider sagen, wenn er das liest, oder Oliver Kalkofe, dann weiß ich sofort, was ich raus schmeißen muss, aber auch das klappt nicht immer. Prinzip bleibt: Wem will ich imponieren, und das ist schon mal ein ganz schön beschissenes Zugeständnis, das höllisch weh tut. Denn eigentlich ist einem doch egal, was die anderen denken. Vollkommen wurscht! Schön ist, was mir gefällt. Und schön ist, was mir nach mehrmaliger Kontrolle immer noch gefällt. da muss man sich schon auch ein bisserl auf seinen Geschmack verlassen, nicht immer nur auf die anderen hören.
    Sich reiben und messen ist aber doch ein Motor, sich anzustrengen und in Schönheit zu altern, und dann als schönste Leiche überhaupt beweint zu werden. Auch wenn einem dann noch mehr wurscht ist, als zu Lebzeiten.

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