Der Schluss aller Schlüsse!

Das fing ja gut an. Außergewöhnlich. Tempo, halbwegs intelligente Dialoge, und nicht jede Szene endete mit einer «Wuchtel». Nur jede zweite. So was ist man von österreichischen Fernsehserien nicht gewohnt. Man verspürt den Drang, endlich mal zu loben. «Aufschneider» hieß der TV-Zweiteiler, der gerade eben ausgestrahlt wurde. Schauplatz Wien, genauer: die Pathologie (soviel «Wien-Flair» muss einfach sein) eines Krankenhauses. Die Story? Eine Familiengeschichte, was sonst? Jede österreichische TV-Serie ist immer ein gesampeltes Remake des «Kaisermühlenblues» und des «Mundels». Geht nicht anders. Der Autor Ernst Hinterberger ist ein Titan. Man kann sagen, er hat für Generationen das Lieblingsselbstbild des Wieners und seiner Artverwandten so nachhaltig geprägt, dass es einen Krieg brauchen wird, um dieses Bild wieder zu tilgen. Aber nicht mal darauf würde ich 50 Cent setzen.

Der zweite Teil brachte es dann weniger. Die Handlung kam nicht vom Fleck, die Wuchteldichte erreichte vulkanaschewolken Ausmaße und verhinderte jeden Ideenflug. Die Charaktere wurden läpprig, die Männer infantilisierten, die Frauen zickten schwanger herum; ein gemütliches Geösterreichere hob an, jeder hat schon mal jeden gefickt, hintergangen, betrogen, belogen, geschlagen, ausgebootet, verraten, mies gemacht, in den Arsch getreten, gelinkt, bedroht, bedrängt, geküsst, schwanzgelutscht, angeschwärzt, verlassen, versöhnt und angeschrieen.

Eigentlich nicht der Rede wert. Warum der «Aufschneider» aber doch der Rede wert ist, verdankt er seiner Schlusssequenz. In der sieht man Meret Becker, die als deutsche Bestattungsunternehmerin mit den beiden Gehilfen der Pathologie einen Handel mit Augäpfeln der Toten (zwecks Gewinnung von Hornhäuten) aufgezogen hatte, das Krankenhausareal verlassen. Der Deal ist geplatzt. Die Geschichte aufgeflogen, der Pathologieneuling Wieser hat den Betrug und die Schändung der Leichen auch brav seiner neuen Chefin gemeldet. Interessiert die aber eigentlich nicht. Die Deutsche (Das Böse) verlässt das Krankenhaus wie eine Single Eva, die aus dem Paradies gejagt wird: Schön, gefährlich, scharf, verführerisch. Während sich unten, im Pathologieaufenthaltsraum, die gesamte österreichische Sippe am Lieblingsmöbel der Nation, dem «Runden Tisch» in der gemütlichen Hölle versammelt hat. Alle. Die Linker und die Gelinkten, die Ficker und die Gefickten, die Betrüger und die Betrogenen, auch diejenigen, die vor Sekunden noch abgrundtiefer Hass trennte, alle sind jetzt vereint am «Runden Tisch», und der Zuschauer weiß: Jetzt ist alles gut, jetzt ist Österreich!

Das Böse, das Deutsche, das Fremde trifft draußen vor dem Krankenhaus auf das andere Fremde, ausländische, den indischen Taxifahrer. Was für ein Zufall!, möchte man rufen. Und das Fremde kennt sich. Der klugscheißernde indische Taxifahrer entpuppt sich – und nun kommt die absolute Mega-Giga-Überwuchtel – als Deutscher! Und schon singen der als Hindu maskierte Deutsche und die sündige Eva aus Berlin das Antiösterreicherlied: Tirol ist Scheiße! Österreich ist Scheiße!

Und sie hauen ab. Österreich ist frei!

Und wir wissen es nun alle: Der Österreicher an sich ist gut. Auch wenn er ein Betrüger, Schläger, Folterer, Leichenschänder ist: Er ist gut. Das Böse kommt in jedem Fall von außen. Er wird dazu verführt. Wäre die Deutsche nicht, gäbs kein Geld für Leichenaugäpfel. Hätte die Becker nicht des Gehilfen Schwanz gelutscht, hätte er nicht seine Skrupel über Bord werfen müssen. Ja, was hätte er denn tun sollen, der arme Verführte?

Und nun sitzen sie alle am runden Tisch und tun das, was man hierzulande an einem runden Tisch immer tut: Man kehrt das Gewesene unter den Teppich und «Schaut in die Zukunft».

Es ist ein Ösi-würdiger Schluss. Es ist der Schluss aller Schlüsse. Er ist der Schlüssel.

Und selbst H.C. Strache und die Nazisschen könnten es nicht besser sagen: Das Böse kommt immer von außen. Lassen wir es nicht hinein. Schmeißen wir es raus!