Genie und Opfer

Gestern war wieder Österreich.
Und am meisten Österreich ist, wenn das Opfer und das Genie, zwei ausgewiesene und überaus beliebte Spezies dieser wunderschönen Skination aneinander geraten. Irgendwie.
Das Genie, bekannt aus Rundfunk und Fernsehen, hat einen Roman geschrieben. In diesem Roman tummeln sich Opfer, in Rundfunk und Fernsehen bekannt als Politiker, Kärntner Landesheilige und verehrte Bankrotteuere in Korruptanien; Lebensmenschen, Liebhaber und Witwer.

Das Opfer zog vor Gericht und klagte das Genie. Das Genie reist im Lande herum und liest dem geneigtem Publikum, das sich gerne an Persönlichem, Abgründigen und Antinazikitsch delektiert, aus dem Opus vor. Das Opfer will was? Ein Verbot des Buches? Wie jenes für «Ezra» von Maxim Biller? Aber nicht doch. Es möchte partizipieren am Ruhm des Genies. Mehr noch an der Penunze, die der Verlag für das Opus einfährt. Denn ist nicht der Ruhm und die Fama des Opus vor allem dem öffentlichen Aufschreien, und der eingebrachten Klage, geschuldet?
Und das Opfer hat natürlich recht. Eigentlich hat es rechter. Es befeuerte mit Tattoo-Delphin, Solariumbräune und Wortspenden (Lieblingswort: Flocke) und anderen intimen Details das Interesse des Publikums. Warum soll es dafür nicht bezahlt werden?

Das Genie bedankte sich auch artig in einer Tageszeitung für die Werbung, die das Opfer mit der Klage, gemacht hat. Das Publikum kommt auf jeden Fall auf seine Kosten. Hier wird mal ein Schwein zur Schnecke gemacht. A Hetz. Das ist süß. So was gefällt. Das Genie ist auch froh, dass der Markt so funktioniert, wie er eben funktioniert. Alte Weckerln finden reißenden Absatz, wenn sie in der Mikrowelle des Wohlfeilen und Risikofreien aufgebacken werden.

Gestern war wieder Österreich. Die Klage des Opfer wurde im Namen der Kunstfreiheit abgewiesen. Jene Justiz, die sonst immer so reaktionsschnell und/oder vorauseilend auf Zurufe aus dem Boulevard reagiert, hat mal wieder allen gezeigt wie sehr sie Gerechtigkeit und Freiheit im Rechtsstaat schützt.

Gestern war wieder Österreich.
Das Genie nennt sich selber nun in einem Atemzug mit Bernhard, Jelinek, Qualtinger.
Sapperlot, aber auch!

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