Kardinaltugend

Es mutet manchmal wie ein Wunder an, wenn man in einem Medium wie der Television einmal etwas echtes sieht. Abgesehen von echten Lügnern, echten Wapplern, echten «Ich war’s nicht, der andere hat auch-Typen», echten Schaumschlägern, echten Falschzeugnisablegern und anderen Politikern. Und man ist es überhaupt nicht gewohnt. Es ist auch erstaunlich, was der Anblick und das Anhören von wirklichen und aufrichtigen Menschen, in einem 5/7 Misanthropen wie mir, hervorruft: Er fühlt sich plötzlich menschlich, der miese Misanthrop.
Überhaupt Aufrichtigkeit! Eine Kardinaltugend, meiner Meinung nach. Nun gut, ich gebe zu, dies ist ein zusammengesetztes Wort, dessen beide Teile heute von der authochtonen und indigenen Bevölkerung Westeuropas nicht mehr übersetzt werden können, da sie nicht «leiwand», «oasch», «Todesstrafe für Kinderschänder», weder das «geschieht ihm doch recht, dem toten Dieb», «das weise ich entschieden zurück», noch «davon habe ich nichts gewusst», bedeuten.

Aber wurscht. Manchmal bedürfen wir des Wunders.
Ich sah also die letzten drei Teile des großartigsten Dokumentarfilms über «The War» in Arte und hörte die Helden sprechen. Und die Heldinnen. Und warum waren es Helden? Weil sie aufrichtig gehandelt haben. Und auch aufrichtig über ihre Taten gesprochen. Über das Sterben der Kameraden, und auch, dass sie selber getötet haben. Sie haben geweint, als sie von der Befreiung von Mauthausen und anderer KZ’s sprachen. Sie haben Worte gesucht für das Grauen. Auch für ihren Hass. Den manche ein Leben lang bekämpfen mussten, um nicht daran zu Grunde zu gehen.

Ihre Gesichter sind die Gesichter von wahren Menschen. Sie haben ins Antlitz des Horrors geblickt. Sie gingen, jenseits aller Rambo-Romantik-und Katharsis, durch die Hölle. Und sie kämpfen bis zu ihrem letzten Atemzug gegen Verbitterung und Alpträume. Sie wissen, dass der Mensch ein Scheißkerl ist, ein aggressiver Zweibeiner, der nur mit Mühe und auch nur eine Zeitlang, seine Mordlust unterdrücken kann.

Es waren die Gesichter von mutigen Menschen, gerade, weil sie sich ihre Angst eingestanden. Es sind die Gesichter der Menschen, denen wir unsere Freiheit verdanken.

Danach zappte ich auf ORF 2 und dort lief ein «Club» zum Thema Waffen. Es war, als würde man gerade an den Anfang von «The War» zurückkehren.

Auch ich, der miese Misanthrop, will so’n Phonejammer, aber hopp!

Ich weiß, es ist mächtig uncool über die ins Kraut schießende Zwangsneurose der handysabbelnden Mitmenschen zu schreiben. Uncool wie Merkel-Witze oder unrasierte Intimzonen. Aber nerven tun sie immer noch, die Zeitgenossen, die einen freundlich und unaufgefordert an ihrem schreiend banalen Leben, ihrer minder bespielten Festplatte und dem mangelnden Distanzgefühl teilhaben lassen.

Ich bin privat ein netter Mensch, den allerdings nur wenige kennen, denn kaum bewege ich mich unter meinen Mitmenschen, werde ich sogleich zum Misanthropen. Spricht mich dagegen jemand an und möchte Geld, eine Auskunft oder an der Kasse vorgelassen werden, so lernt er in meiner Person einen grundgütigen, freundlich lächelnden Menschen kennen, der sich allerdings selbst ein Rätsel ist.

Neulich saß ich im Zug von Wien nach München, in einem «Railjet», klasse Teil, alles bestens bis Salzburg, denn da stieg eine Figur ein, die einem das Ende der Menschheit so richtig schmackhaft machen könnte.
Dieser humanoide Zweibeiner trug einen Anzug, einen Aktenkoffer und ein Telefon am Ohr. So erschien er im Holozän und ließ sich in den Sessel auf der Nachbarseite fallen. Das Tuch vom Feinsten, die Laune am Arsch, so, als hätte er ausgerechnet heute niemanden feuern dürfen, und das klagte er nun dem Telefon. Und zwar von Salzburg bis München. Unterbrochen nur von Verbindungsschwächen, die ihn jedesmal in sich zusammensacken ließen. Er dochtelete dann mit seinen manikürten Fingerspitzen auf der Tastatur rum, falls er sich nicht gerade mit den fahrigen Gesten eines Bonobos auf Cold Turkey in seinem 200 € Haarschnitt rumfuhrwerkte. Ein Kerlchen zum Verlieben.
Die Strecke Salzburg-München ist lang. Der Verbindungsunterbrüche waren viele, aber nur von kurzer Dauer.
Irgendwann stopfte sich meine Wenigkeit, der miese Misanthrop, Oropax in die Gehörgänge.

Nun, was ich eigentlich sagen wollte: Es naht Hilfe! Mehr noch: Es gibt sie schon!
Gestern hörte ich zum ersten Mal davon. Das Ding heißt «Phonejammer». Ein Gerät, das im Umkreis von etwa 10-20 Metern alle Handygespräche verunmöglicht.
Wer spendiert einem reuigen Misanthropen einen Phonejammer?
Oder sollte die Parole nicht gleich lauten: Phonejammer für alle!
-Lieber Phonejammer als Vorschlaghämmer.
-Schlag dem Nachbarn nicht gleich die Fresse ein, mit dem Jammer lässt er das Quasseln sein.
-Phonejammer for President!
-Beim Dinner, Reisen, in der Stripteasebar, ist so ein jammer einfach wunderbar.
-Nervt das Geqauschte in der Straßenbahn, wirf doch mal den Jammie an.

Versuch’s doch mal mit Attentat!

Ich hörte wieder einmal Willie Nelson und las im Spiegel Online, dass der Papst Attentäter Agca ein Buch über das Attentat schreiben will. Mit viel Scharf. Er hat schon Dan Brown kontaktiert und ihm das Thema zu dessen 3. Buch vorgeschlagen: «Das Vatikan-Komplott».
Die interessierten Verlage veranschlagen die Rechte an der Drecksack-Börse so um die 3 Millionen. Euro oder Dollars. Wurscht.
Schnitt.
Hinten auf dem Cover eines wunderbar lesenswerten Büchls:
«Nachmittag eines Reporters» von Franz Dobler, fand ich den Satz den ich gesucht hatte:
«Wie wird man ein Star?», wollte sie wissen.
Ich rammte das Messer in den Tisch und sagte kühl:
«Am schnellsten wird man ein Star, wenn man einen Star tötet.»

Richtig.
Ein Killer wie Agca, der nach 19 Jahren im italienischen Knast in seiner türkischen Heimat gleich wieder einsass, weil er einen linken Politiker ermordet und ein paar Banküberfälle verübt hatte, hat doch was zu erzählen, oder? Da wird bei einigen scharfgewordenen Protatgonisten der Verlagsbranche das berühmte «Achtel abgehen», während sie ihre Milchmädchenrechnungen anstellen.
Soll man diesen Leuten mit Moral kommen? Leuten, wie es Gottfried Benn mal ausdrückte, «Die Fresse von Cäsaren, das Gehirn von Troglodyten, die Moral des Protoplasmas und das Ehrgefühl von Hotelratten» haben.

Soviel ich weiß, schiebt dieser Verdienerei nur Frankreich einen Riegel vor. Keine Kohle für Bücher und Werke, die auf Grund von Verbrechen geschaffen wurden. Selbst Jaques Mesrine mit seinem Buch «Der Todestrieb» durfte nichts davon haben. Wie aber sieht’s mit den Verlagen, Vertreibern usw. aus?
Je ne sais pas.

Ansonsten möchte die Rechnung für viele Jung-Autoren und hoffnungslos sich Bemühende doch aufgehen: Versuch’s doch mal mit Attentat!
Muss ja nicht klappen.
Einige Buchtitel:
– «Ich war der Stalker von Charlotte Roches Intimfriseur»
– «Es muss nicht immer Currywurst sein oder wie ich Gerd Schröder ohrfeigte»
– «George W. Bushs verbrecherische Reflexe» Authentischer Bericht eines fehlbaren Schuhwerfers.

Sie, verehrte Leserin, geschätzter Leser haben doch sicher auch ein paar Ideen. Oder?

Sunday moaning comin› down (ein Poelem)

Wer es gesehen hat, wird sich lange daran erinnern: Rummenigge, wie er mit einem Seppl-blöden Gedichtlein den Uli Hoeneß ehrt. Maria und Josef, war das komisch! Aber damit nicht genug: Rummenigge hatte die zwei Vierzeiler auch noch von der HP (www.apk-gedichte.de) der Auftragsdichterin Annette Pfeiffer-Klärle geklaut und kriegt jetzt von deren Anwalt eine hübsche Klage an den Hals. Damit ist er aber noch bestens bedient. In Ösi-County kann man dafür erschossen werden.
Nun, was für nette und lustige Geschichten das Leben doch schreibt. Und alle umsonst.

Das Messer scharf geschliffen
aus dem letzten Loch ist schon gepfiffen
mein Leben schal und leer
Kurz, ich mag nicht mehr.

Auf die Glotze noch ein letzter Blick
da spricht Rummenigge, richtig schick
Ein Dankesgedicht für den Hoeneß Uli
Hang down your Head Tom Dooley.

Das Messer in der Hand, so stand ich da
konnt nicht glauben, was ich hört und sah
Was’n Poem, was’n super Gedicht
wie am Ende des Tunnels das berühmte Licht.

Rummenigge sprach sehr süsse Worte
braun und klebrig wie ne Sacher-Torte
Und immer noch in der Hand das Messer
dachte ich, kann das jemand besser?

Wieder fröhlich jetzt, und mit frischem Geist
fand ich raus, das Poem war nicht von Kleist
es war geklaut, von der Pfeiffer-Klärle Annette
von ihrer HP, einer Poem-dicounter-Kette.

So nett sind Menschen manchmal eben
retten flugs dein Leben
und versüssen es mit tollen Gerichtsgeschichten
und inspirieren einen noch zum dichten:

Ich tunte Dich, ich truck Dich sehr,
ich tunke Dich, das fällt nicht schwer,
Ich tunte Dir, tank Dich voll,
weiß gar nicht wie ich tucken soll.

Ich tinte Dich, Du bist ein Schlatz,
hab in meiner Hand dein kleinen Spatz,
ich tunke Euch, wo kommt ihr her:
Tante, Tunte, Tacker, bitte sehr!!!

Der Autor als Jukebox Vl.

Die äußerst großzügige Spende des Gönners Jakob G. ist völlig unerwartet, und deswegen umso erfreulicher, eingetroffen. Der Autor bedankt sich und spielt.

Als ich einmal von einer Kollegin, einer Drehbuchautorin, zu ihr nach Hause eingeladen wurde, war ich verblüfft. Hatte sie nicht vorher offen darüber geredet, dass ihr Haushalt äußerst chaotisch und unordentlich sei, und ich bitte, bitte entschuldigen müsse usw.?

Als ich bei ihr ankam und mich ein wenig umsah, konnte ich erkennen, dass das Gegenteil wahr war, blitzeblank alles, aufgeräumt; die Fenster, durch die die Abendsonne schien, waren geputzt und schlierenfrei, kurz, ein Juwel, und sie hätte das Chili ohne weiteres einfach auf den Küchenboden kippen können, ich hätts ohne Zögern, im Schneidersitz, von den Fliesen gelöffelt.

Was war da los? Sie erklärte es mir: Sie stecke in einer kleinen Schreibkrise, sagte sie, sie komme nicht weiter mit ihrem Drehbuch, sie hänge irgendwie durch; und das Schlimmste sei, dass sie sich vor der Arbeit drücke, und um dieses Herumdrücken erträglicher zu machen, fange sie an zu putzen.
Der Zustand ihrer Wohnung sprach beredt von einer ernsteren Schreibkrise.

Meine Art, mich vor der Arbeit zu drücken, ist, mich herumzustreiten. Auf Foren von Tageszeitungen z.B., mit E-Mails oder auch mal mit Blogtexten. Ich versuche Leute in Diskussionen zu verwickeln, Schwachstellen rauszufinden, Deckungen zu durchbrechen; Lücken zu suchen, durch die ein guter Punch zu landen ist. Der Übergang vom richtigen Argumetieren in einer Sache, bis zum Ausleben der Streitlust ist fließend. Denn es ist durchaus lustvoll zu versuchen, jemanden kleinzukriegen. Aber das funktioniert nicht immer. Manchmal wird man selber fertig gemacht. Weil man zu sorglos eingestiegen ist und gleich zu Beginn, aus Schlampigkeit und Unterschätzung des Gegners, einen Fehler macht; zu wenig versiert ist und sich aufs Eis hat ziehen lässt, in Hinterhalte gelockt wird, sich hoffnungslos in Halbargumenten verheddert und Trümpfe ausspielt die kalt abgestochen werden, usw.

Kurz, es ist eine Art Kampf. Die alten Griechen nannten es Disput. Sie schulten sich darin. Eine Variante des Unterrichts war, nicht den eigenen Standpunkt zu vertreten, sondern den Gegenteiligen. Man kann es ein geistiges Sparring nennen. Man trainiert etwas ganz bestimmtes. Wie man sich beim Boxsparring auf die Eigenheiten, das Können und die physischen Gegebenheiten des wirklichen Gegners, vorbereitet.

Was hat das alles für einen Zweck? Es ist eine zivile Art – sowohl das Boxen als auch der Disput – das Mördertier im Menschen zu zähmen. Und als ich heute morgen darüber nachdachte, schweifte mein Blick über das Bücherregal und es blieb auf «Benjamin Korn / Kunst, Macht und Moral» hängen. Ein schmaler Band mit Essays des Theatermannes und Schriftstellers. Ich las «Die manichäische Falle«. Der Essay beginnt mit den Worten:

Wie kommt es, dass jeder von uns glaubt, jederzeit Recht zu haben, und zwar mit solcher Leidenschaft, dass er bereit ist, seinen Tischnachbarn niederzuschreien, im ein Glas Schnaps in den Kragen zu schütten, ihn windelweich zu prügeln?

Es ist ein formidabler Text, gerade wenn man darauf wartet, dass sich das kleine Mädchen erhebt, damit man ihm Frühstück machen kann. Es ist ein harter Text. Vor allem auch, weil der Autor Benjamin Korn sich ebenfalls zur Disposition stellt. Ist es ein deprimierender Text? Steht da weiter vorne nicht:
Kurz, unsere mörderischsten Aggressionen suchen sich in unsern Köpfen eine edle Moral, und wenn sie keine edle finden, eine heroische Feindschaft, einen Religionskrieg, eine Strafexpedition, dann prügeln sich ahlt zwei Bauern um einen Quadratmeter Erde, und die Kinder setzen die daraus entstehende Todfeindschaft fort. Die Gründe? Haben wir vergessen.

Aber es ist ein wahrer Text. Das wird umso klarer, je weiter ich lese. Fast atemlos. Gierig. Gierig auf was? Auf eine Art Erlösung? Dass es doch nicht ganz so schlimm um uns bestellt sein möge. Kommt aber nicht. Es wird noch schlimmer. Obschon es erst nicht danach aussieht. Korn, der Theatermacher spricht über die Kunst, die Katharsis, das Mitleiden.

Müde in eine Theater gehen und zwei Stunden später wach herauszukommen, freundlich zueinander, enstspannt und frei zu sein, großzügiger, «besser» zu sein als eben noch beim Hineingehen.

Wer kennt es nicht, dieses Gefühl. Nach dem Kino. Nach der Lektüre eines wahren Buchs.

Die Kunst erlaubt es uns, jene Fähigkeit zum Mitleiden auszuleben, die wir in der Wirklichkeit, zugunsten unserer egoistischen und herrschsüchtigen Impulse, zurückstellen und vernachlässigen müssen. Ihre Wirkung ist kruzfristig wie die eines Traums.

Und dann:
Katharsis ist ein vorübergehender Sieg gegen den Hass in uns, der aber aus einer unstillbaren Quelle in uns kommt.

Ist das nun wahr? Es ist. Immer wieder wundere ich mich darüber, warum der Pegel meiner Wut ansteigt, auch ohne sichtbare Anlässe. Ich werde mit Zorn gleichsam «aufgeladen». Wo ist die Stromquelle?

Haben wirs nun kapiert? Sind wir hoffnungslos verloren im Manichäismus? Noch einmal fordert Korn etwas von uns:

…Die nicht zuunterschätzde Macht der Dummheit besteht darin, dass sie ihre Sätze unendlich oft wiederholt…Die Dummheiten werden seit Jahrhunderten wiederholt, und die abhängigkeitserzeugende Kraft des Gebets liegt in der puren tausendfachen Wiederholung der Litanei. Ebenso müssen wir unentwegt die Wahrheit wiederholen; aber man muss das Gefühl von Peinlichkeit und falscher intellektueller Scham abschütteln; es wäre unverzeihliche Blasiertheit es nicht zu tun! Wir müssen jedes Vorurteil, jede rassistische Äußerung ausreißen wie Unkraut im Denken…Es ist ein Graben-undAbnutzungskrieg, bei dem die Dummheit die besseren Waffen hat…

Das wird von uns gefordert. Nicht mehr, und auch nicht weniger.
Korn beschliesst seinen Essay, in dem er uns endgültig reinen Wein einschenkt:

Wir sind ewig dazu verflucht, unsere Ideen vom Dasein weder zum Leben erwecken noch aufgeben zu können; und so läuft neben der Erfahrung vom Schlimmen und Bösartigen der Welt immer die Idee des möglich Guten vor uns her, wie die Karotte vor dem Mund des Esels, die ihn laufen macht und die er nie erreicht.

Wie seltsam. Oder auch nicht. Mir fiel nun dieser altgewordene Veteran aus Sacremento ein, der in Ken Burns Film The War, seine erfahrene Hölle in den Ardennen beschrieb: die Qual der Müdigkeit, des Hungers, der Kälte und der niemals schlafenden Todesfurcht; wie er mit dem altersmilden Lächeln des guten Mannes sagte: Man sagte sich immer: wenn die Kameraden das ertragen können, dann kann ich das auch!

Benjamin Korn
Kunst, Macht und Moral
Essays
Suhrkamp Taschenbuch

A thousand thank you’s, dear americans!

Ich habe es leider versäumt, rechtzeitig auf die großartige, epische Dokumentation von Ken Burns hinzuweisen, die unter dem Titel: The War in Arte in einem Mehrteiler gezeigt wurde.
Burns hat die Geschichte des 2. Weltkrieges aus der Sicht von Zeitzeugen, GI’s und deren Familien in den Städten Mobile, Luverne, Sacramento und Waterbury erzählt.

Hier ein Ausschnitt aus einem Interview mit dem Regisseur Ken Burns, das auf der Homepage von ARTE nachzulesen ist:

Was haben Sie aus dieser intensiven Beschäftigung mit dem Konflikt gelernt?
Wir waren alle sehr beeindruckt über die Bescheidenheit dieser alten Männer, die mit achtzehn oder neunzehn Jahren an der Landung in der Normandie teilgenommen, Konzentrationslager befreit oder auf Iwo Jima gekämpft haben – in einem Alter, wo die meisten von uns nur den Luxus eines unbeschwerten Lebens kennen gelernt haben. Jede Familie, jede Straße in jeder Stadt war in den Vereinigten Staaten vom Zweiten Weltkrieg betroffen, daher auch das Gefühl, gemeinsam für dieselbe Sache zu kämpfen und dafür Opfer zu bringen. Diese ganz gewöhnlichen Menschen wurden in die größte Katastrophe der Geschichte hineingerissen und haben ihren Mann gestanden. Sie haben unglaublichen Mut bewiesen, aber auch Gräueltaten begangen.

Etwas bessers über diesen Krieg gibt es nicht. Berührend, anrührend und schockierend, eindringlich und trotzdem cool. Und nach jeder einzelnen Staffel empfand ich etwas, nämlich: Dankbarkeit.

A thousand Thank you’s, dear americans, dass ihr uns, unter diesem gewaltigen Blutopfer, von jenem irren, mickrigen, größenwahnsinnigen, impotenten und verkrampften österreichischen Versager befreit habt.
Ihr wart wirkliche Helden.
A thousand thank you’s!

(Ich schreibe dies mit dem Wissen, dass wir es das nächste Mal alleine schaffen müssen.)

Opferalkoholiker-Blues (S.S. Namredin)

Ich bin ein Opfer, ein Opfer
in der dritten Generation
schon mein Opa klemmte sich den Finger ein
als er die Waggontüre schloss, bei der Judendeportation.

Nicht genug damit,
das Schicksal ist erbarmungslos
In Mauthausen er fett vom Wachturm fiel
da war er auch sein Leben los.

Meinem Vater gings nicht besser
Arbeit hat ihn umgebracht
mit 36 schon in Frühpension
weil ihm die Säuferleber so zu schaffen macht.

Und auch ich, sein armer, netter Sohn
bin ein Opfer
geprellt um Ehre
und auch Lohn.

Denn das Überbein am kleinen Zeh
tut den ganzen Tag so richtig weh
weil ich in meim Trafikerl steh
wie ein verwundet Reh im Schnee.

Ich bin ein Opfer, ein Opfer
in der dritten Generation
verkaufe Zigaretten, Lottoscheine, Lose
mein Leben ist der reine Hohn.

Alles was mir blieb
ist die Krachen in der Lad
ich warte nun auf einen Dieb
einen Räuber, einen Tschuschenkamerad
der mich frech berauben möcht.

Ich warte lang, und jeden Tag
das endlich einer rauben mag
dem ich dann, was soll ich machen
eins verpassen muss, mit meiner Krachen.

Nun liegt er da, jetzt is er tot
der Bimbo, Tschusch und Dieb
hätt er halt nicht stehlen sollen
ihr wisst’s, ich bin sonst eh ganz lieb

Ich bin ein Opfer, ein Opfer
in der dritten Generation
Auf Notwehr verstehn wir uns
das gehört bei uns zum guten Ton.

Wer sich hier ins Unrecht setzt
dessen Leben ist verwirkt
und wer recht hat, das wissen selbst die Koffer
bin ich, auf jedem Fall, das arme Opfer.

…einfach feige verstorben…

Der Polizeibeamte, der vor einigen Wochen einen 14-Jährigen Einbrecher in einem Supermarkt von hinten abknallte, wird nun doch vor Gericht stehen müssen. «Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen», nennt sich das.
Die Forensiker und die Experten haben dem Beamten nachgewiesen, dass er praktisch über alle Details des Hergangs gelogen hat. So hat er sich – wie er angab – bei der Schussabgabe nicht hingekniet, sondern stehend abgedrückt, und die Distanz betrug nicht 4-5 Meter, sondern ganz 1,8 Meter, und so weiter und so fort.
Und wer einem Jungen aus 1,8 Meter – das ist ungefähr die Schlagdistanz von Valujew-, eine 9 mm Kugel aus einer Glock in den Oberkörper pumpt, der weiß was er tut, und er weiß auch, was dann, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, geschieht.
Man darf nicht gespannt sein, wie das Urteil ausfällt. Schätze mal, es ist längst ausgedealt.

Der Beamte war nach der Tat wochenlang traumatisiert und konnte zum Tathergang nicht einvernommen werden. Und hier nähern wir uns dem tatsächlichen Problem dieses Falles und seiner juristischen Wägbarkeiten.

Es muss die Frage gestattet sein, wie dieser Beamte dazu kommt, traumatisiert zu sein. Womit hat er das verdient, um es mal populär auszudrücken? Während der Einbrecher die Sache überstanden hat, in dem er einfach feige verstarb, hat der Beamte sein Leben noch vor sich und muss nun damit klar kommen, dass dieser «Bursch», der da einbrechen gegangen ist, nicht mehr lebt. Und dass er irgendwie damit zu tun hat, und sogar vor Gericht gestellt wird. Wie kommt er dazu?

Das bedeutet eine enorme Belastung. Auch für einen Polizisten, der mit der Unterstüzung des Landeshauptmannes rechnen kann, aber dennoch Nacht für Nacht mit seinem Trauma alleine klar kommen muss. Ein Leben lang.

Es muss in diesem Zusammenhang auch die Frage gestellt werden, scharf und unmissverständlich, ob nicht ein Weg gefunden werden muss, um die Hinterbliebenen des Toten zivilrechtlich zu belangen. Es darf in dieser Sache keine Tabus geben.
Die Traumatisierung und die möglichen Schuldgefühle verursachen dem Beamten Pein. Und diese Pein könnte, wie bei körperlichen Schmerzen auch, durch Schadersatzforderungen resp. Zahlungen, gelindert werden.

Die Frage muss lauten: Warum hat die Familie des in den Rücken geschossenen Burschen nicht verhindert, dass dieser sich in den Rücken schießen ließ? Ungeschützt! Sollten nicht alle Eltern verpflichtet werden ihren Sprösslingen schon mal prophylaktisch schusssichere Westen anzuziehen? Vor allem, wenn sie sich abends aus dem Haus begeben? Auch wenn sie nur Freunde treffen wollen.
Zu diesem Behufe könnte eine Weste speziell für Österreich entwickelt werden, eine, die sich auch wesentlich billiger herstellen ließe, da sie nur den Rücken bedecken müsste.
(Die Firma Glock könnte damit beauftragt werden. Würde wieder Arbeitsplätze schaffen.)
Eine Überlegung: Diese Anschaffungen könnten doch aus dem Kulturbudget subventioniert werden. Oder aus dem Geld, das man für Asylwerber aus dem Fenster schmeißt. Oder für Kärnten.

Denn eines ist klar: Es ist den östereichischen Polizeibeamten nicht länger zuzumuten, dass sie sich traumatisieren lassen, nur weil Jugendliche und andere Einbrecher, Rumänen und solches Gelichter, einfach keine schussicheren Rückenschutzwesten tragen.

Also diesem Jungen, der so fahrlässig ungeschützt rumlief, und sich in den Rücken schießen ließ, werden wir das nicht einfach durchgehen lassen. Soviel ist mal klar.
Und übrigens: den Holocaust verzeihen wir den Juden auch nicht.

Sunday moaning comin› down – Poetry

Manchmal werden Gedichte auch von den Schreibern und Texterinnen der Teletextnachrichten verfasst. Hier ist eines. Ich fand es am 2. Januar auf dem T-Text von SF2.

Silvesternachschau

In Locarno
Wurde einem Mann
Bei einem Streit
Ein
Finger
abgebissen.
Zwei
Italiener
Konnten verhaftet
Werden.