Nainilewen

Heute ist Nainilewen. Ich werde ihnen ersparen, wie ich es erlebt habe. Ich erinnere mich an die jubelnden Palästinenser, die tanzten und Salutschüsse abfeuerten. Ich erinnere mich natürlich noch an viel mehr, und auch an die Behauptungen, dass unser aller Leben danach nicht mehr dasselbe war und ist. Nun, das stimmt. Aber unser Leben ist immer wieder ein anderes. Es geschehen permanent Dinge, die z. B. mein Leben verändern. Nur schon, dass die Kinder größer werden, und sich sehr verändern während dem sie es tun. Eine Binse, würde ich sagen. Aber sonst?

Eine wirkliche Veränderung in einem Leben geht vor sich, wenn jemand aufhört zu rauchen oder sich sonst einer Sucht entledigt. Oder nach einer Scheidung. Nach dem man sich neu verliebt hat oder mit einem Mal im Rollstuhl sitzt. Wenn man jemanden getötet hat und ins Gefängnis muss. Aber die zwei eingestürzten Towers?
Für die direkt Betroffenen, ja, für alle New Yorker. Wie nach einem Tsunami den man nicht hat kommen sehen und der wieder kommen kann, aber gegen den man etwas unternehmen könnte. Auch wenn man nicht so genau weiß, was.

Ich war damals erschüttert. Ich schrieb ein Tagebuch. Ich habe es zum Glück verloren. Es ist erstaunlich, wie alles im Leben immer einer Mitte zustrebt und nie im Extremen verweilen will.

Hin und wieder gehe ich durch die Innere Stadt Wiens und erinnere mich, inmitten der Touristen und des öden klassizistischen Prunks, den Kaffeehäusern in denen ein großer Brauner € 4,50 kostet, an die Zeit als ich ohne Geld, hungernd und ohne Zigaretten durch diese Straßen lief, immer auf der Suche nach einem Wunder. Es geschah immer. Früher oder später.

Heute habe ich 5 Kilo Kartoffeln für € 0,99 erstanden.
Das ist etwas, das ich absolut nicht begreifen kann.
Das hat’s damals, in meiner Hungerzeit, nicht gegeben.
Das wär schon ein Wunder gewesen.